Junge Pferde

Wer die blühenden Wiesen kennt
Und die hingetragene Herde,
Die, das Maul am Winde, rennt:
Junge Pferde! Junge Pferde!

Über Gräben, Gräserstoppel
Und entlang den Rotdornhecken
Weht der Trab der scheuen Koppel,
Füchse, Braune, Schimmel, Schecken!

Junge Sommermorgen zogen
Weiß davon, sie wieherten.
Wolke warf den Blitz, sie flogen
Voll von Angst hin, galoppierten.

Selten graue Nüstern wittern,
Und dann nähern sie und nicken,
Ihre Augensterne zittern
In den engen Menschenblicken.

Erstveröffentlichung:
Die Aktion Bd. 2, Jg. 1912, Nr. 43 (23. Okt.)


Young Horses

Those that know the fields in blush,
Driven on by inbred forces,
Snouts in wind, headlong they rush:
Oh, young horses! Oh, young horses!

Over ditch and stubble-grass,
By red hawthorn hedges in waves,
Trotting skittish herds, they pass:
Chestnuts, dapples, whites and grays!

Early summer mornings shed
Glistening sun, and then they neighed.
Clouds threw thunder, so they fled,
Flush with fear, they raced away.

At rare times, they will come near.
Gray noses sniff. Heads genuflect.
Pupils quiver in the spare
Visage of the human sect.

Lyrics by Paul Boldt in English Translation
by Daniel J. Webster


Jeunes Cheveaux

Qui connaît les prés en fleur
Et connaît le long troupeau
Emporté, chanfreins au vent :
Jeunes chevaux, jeunes chevaux !

Par dessus les fossés, les chaumes
Le long d’épines rouges, les chevaux blancs
Et toute la manade souffle,
Les bais, les pies, les alezans !

Quand les jeunes matins d’été
vont d’un air blanc, ils hennissent.
Le nuage jette l’éclair,
Ils galopent, effrayés.

Parfois leurs naseaux gris
Flairent ; s’approchant ils encensent
Et les étoiles de leurs yeux tremblent
Dans nos regards réduits.

© 2005-11 Eberhard Scheiffele (Traductions de 22 poèmes de Paul Boldt)

Herbstpark

Die gelbe Krankheit herrscht. Wie Säufern fällt
Das Laub Ahornen aus den roten Schädeln,
Und Birken glühn gleich flinken Gassenmädeln
Im Arm der Winde auf dem schwarzen Feld.

Und wie die Hände einer Frau, die sinnt
Ihrem Gemahl nach und der starken Lust,
Ward weiße Sonne kühl! Du aber mußt
Der Nächte denken, die im Juni sind.

In diesen sternenbunten, sagt man, fror es.
Der Park ist so verstört. Aus beiden Teichen
Zittert die Stimme des gefleckten Rohres,

Wenn Wellen so vom seichten Sande schleichen.
Und Regen droht. In Kutten, stummen Chores,
Gehn Wolken um die großen, grünen Eichen.

Erstveröffentlichung:
Die Aktion Bd. 2, Jg. 1912, Nr. 42 (16. Okt.)


Parc en auhomne

La maladie jaune règne. Comme des soûlards impénitents
Les crânes rouges des érables leurs feuilles perdent.
Et les bouleaux flamboient comme d’alertes
Filles des rues sur le champs noir dans les bras des vents.

Et comme les mains d’une femme qui pense
A son époux et à l’intense jouissance
Le soleil blanc refroidissait, mais toi,
Tu dois te souvenir des nuits du sixième mois.

Dans ces nuits colorées, dit-on, il gelait.
Le parc est tout bouleversé. Des deux étangs
La voix des roseaux tachetés tremble,

Quand les vagues quittent la plage en rampant,
Et la pluie menace. En froc, choeur muet,
Les nuages autour des chênes géants tournent ensemble.

© 2005-11 Eberhard Scheiffele (Traductions des poèmes de Paul Boldt

Die Liebesfrau

– Nackt. Ich bin es nicht gewohnt.
Du wirst so groß und so weiß,
Geliebte. Glitzernd wie Mond,
Wie der Mond im Mai.

Du bist zweibrüstig,
Behaart und muskelblank.
So hüftenrüstig
Und tänzerinnenschwank.

Gib dich her! Draußen fallen
Die Regen. Die Fenster sind leer,
Verbergen uns . . . – allen, allen! –
Wieviel wiegt dein Haar? Es ist sehr schwer.

– Wo sind deine Küsse? Meine Kehle ist gegallt,
Küsse du mich mit deinen Lippen!
– Frierst du? – – – Du bist so kalt
Und tot in deinen hellen Rippen.
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Erstveröffentlichung:
Die Aktion Bd. 2, Jg. 1912, Nr. 40 (2. Okt.)

Oktobernacht

Schon kam die Erde mit den schönen Bäumen
Dem Winter nah, der alles Grün verschluckt.
Oktober wird, wo uns das Hirn noch juckt
Von überroten, klaren Sonnenträumen.

Wir Planetiden. Dunkelheiten schäumen
Novemberher. Die Erde friert und duckt
Sich vor dem Mond, aus dem ein Leuchten zuckt
Und duftweiß flimmert an den Wolkensäumen.

Der gelbe Herbst, in seinem Mantel aus Regen,
Kommt von den Wäldern, ein befleckter Schlächter.
Laub liegt wie Blut auf sonst besonnten Wegen.

Dann kann es sein, eines der Rinder schreit
Lange zum Mond. Der zuckt und leuchtet matter
Durch laute Bäume in die Dunkelheit.

Erstveröffentlichung:
Die Aktion Bd. 2, Jg. 1912, Nr. 39 (25. Sept.)

Hunger

Die Regen liegen im Getreide, schmatzend.
Tags, nachts zerschlägt der Himmel wie Eidotter.
Der schwarze Sturm schlüpft aus, wie eine Otter,
Das goldne Turmkreuz aus den Wolken kratzend.

Der Hunger spreizt wie eine Vogelscheuche
Die Arme breit aus einem Weizensumpf
Und stelzt ins Dorf, mit dem klappernden Rumpf
Die Schlange lockend aus dem Fluß – die Seuche.

Der Bauer Czeska mit den andern Schalken
Scharren voll Scham erst in der Dämmerung
Die Nachgeburt der Rinder aus dem Dung.

Die Kinder lesen Spinnen von den Balken.
Man stirbt. Man legt die Leichen grün und jung
Wie Heringe in Kalk, wo sie zerwalken.

Erstveröffentlichung:
Die Aktion Bd. 2, Jg. 1912, Nr. 38 (18. Sept.)

Erläuterungen:
Czeska. Poln. von czeski: „tschechisch“.
Schalken. Von ahd. scale: „Knecht“.

Nächtige Seefahrt

Die Winde sind von einem Möwen-Dutzend
Geschwämzt und schlagen durch die Luft, dumpf, pfeifend.
Und hart herrollend, seltsam vorwärtsgreifend,
Zerbraust das Meer, der Riffe Rücken putzend.

Es klatscht das Segel, patscht das Ruderblatt.
Die gleichen Wogen streifen, weichen vorn
Und fallen hinten, wo der Möwen Zorn
Sie schmäht, matt, hingemäht, ins glatte Schwad.

Dann steift der Wind. Er gibt die Brise doppelt
Und schmeißt die hellen Wasserhaufen steiler,
Wie ein Pikeur die Meute noch gekoppelt

Voll Gier losläßt; allein der starke Keiler
Stockt, steht, stößt einmal in die Runde
Entblößter Zahnreihn und zerfetzt die Hunde.

Erstveröffentlichung:
Die Aktion Bd. 2, Jg. 1912, Nr. 36 (4. Sept)


Sea-Journey at Night

These winds have tails made of a dozen gulls.
They beat the air with hollow whistling shrieks.
The sea rolls strangely forward, then it breaks
To bits and polishes the spines of shoals.

Our sail begins to crack. The oar-blade beats
Those self-same waves, which first yield at the bow
Then fall away behind, where gulls allow
Their wrath to mow them flat as sickled wheat.

The wind picks up. It doubles the breeze and stacks
Bright water-mountains steeper than before,
Just like a huntsman who’s unleashed his pack

Of maddened dogs; but unafraid, the boar
Will bare its teeth and stop to look around,
Then rip the flesh out of the baying hounds.

Lyrics by Paul Boldt in English Translation
by Daniel J. Webster


Navigation nocturne

Queues de douzaines de mouettes, les vents,
Siffles sourds, fouettent l’air.
Et d’un roulement dur, la mer
S’empare, se brise, récure les récifs glissants.

La pale frappe, la voile crisse.
Les vagues frôlent l’avant et à l’arrière
Retombent, où la colère
Des mouettes insulte sa houaiche lisse.

Soudain raidie, la brise redoublée,
Le vent projette les masses claires plus âprement
Tel un piqueur qui, meute muselée,

La lâche, avide. Pourtant le sanglier puissant
S’immobilise, puis il affronte soudain,
Babines retroussées, et déchire les chiens.

© 2005-11 Eberhard Scheiffele (Traductions de 22 poèmes de Paul Boldt)

Herbstgefühl

Der große, abendrote Sonnenball
Rutscht in den Sumpf, des Stromes schwarze Eiter,
Den Nebel leckt. Schon fließt die Schwäre breiter,
Und trübe Wasser schwimmen in das Tal.

Ins finstre Laub der Eichen sinken Vögel,
Aasvögel mit den Scharlachflügeldecken,
Die ihre Fänge durch die Kronen strecken,
Und Schreien, Geierpfiff, fällt von der Höhe.

Ach, alle Wolken brocken Dämmerung!
Man kann den Schrei des kranken Sees hören
Unter der Vögel Schlag und gelbem Sprung

Wie Schuß, wie Hussa in den schwarzen Föhren
Ist alle Farbe! Von dem Fiebertrunk
Glänzen die Augen, die dem Tod gehören.

Erstveröffentlichung:
Die Aktion Bd. 2, Jg. 1912, Nr. 34 (21. Aug.)

2. Aufl. 1918: schwarzen (Z. 2)

Sommergarten

Die Vögel sprangen von den Winden auf den Garten
Und fielen auf die hellen Rasenbeete,
Betäubt vom Duft der blühenden Stakete
Am weißen Haus mit vierzehn Rosenarten.

Die gelben Steige, die den Rasen masern,
Kommst du in Weiß, berieselt von den Winden,
Und deine Augen duften noch den Blinden –
Die warmen Blumen an den Nervenfasern.

Freude der Tropen wächst. Im blauen Raum
Zünden die Wolken, leuchtende Phantome.
Und du, in deines Blutes Aura und Arome,

Nimmst Sonne mit – in eine Liebesnacht.
Gleich goldnen Bienen hängt das Licht im Baum,
Das deinen Mund wie eine Frucht benagt.

Erstveröffentlichung:
Die Aktion Bd. 2, Jg. 1912, Nr. 33 (14. Aug.)

Nacht für Nacht

Wie helle Raupen kriechen die Chausseen
Aus Wäldern über Berge in die Tale.
Gestrandet liegen Wolken, groß wie Wale,
Still in der Abendröte blanken Seen.

Der Tag versiegt. Bis ihn die Frühen speisen,
Quillt schwarze Nacht aus allen Himmelsbronnen.
Die Sterne scheinen, kleine, ferne Sonnen.
Der Teich im Hofe glänzt wie dunkles Eisen.

Der Mond steht, wie ein Junge in der Pfütze,
Hell über jedem Garten. Und wie Gaze
Schimmert der Wald, des Berges blaue Mütze.

Aus einer Kleinstadt ragt des Kirchturms Vase
Verschnörkelt aus der Giebeldächer Nippes.-
Schlaf hält die Menschen fest, steif, wie in Gips.

Erstveröffentlichung:
Die Aktion Bd. 2, Jg. 1912, Nr. 31 (31. Juli)


Night for Night

Like shining caterpillars, highways crawl
From forests over mountains into dales.
And sunset clouds lie stranded, large like whales
By lakesides, motionless, unmoving, stalled.

Daytime’s run dry. Til morning feeds it anew,
Black night will gush out from the fountain-skies.
Stars gleam, small, distant suns. Below them lies
A pond that shines like iron’s darkest hue.

The moon, a young boy standing in a pool,
Illuminates each garden bed. Like gauze,
The forest shimmers, the mountain’s cap of blue.

A small-town church-tower rises, an ornate vase,
From gaud-strewn, gabled roofs that it shoots past.—
Sleep freezes people in its plaster cast.

Lyrics by Paul Boldt in English Translation
by Daniel J. Webster

Kornfelder

Kornfelder fühlen
Die Wolken wie Mäherschritt,
Die toll gehn und kühlen,
Wenn Glutangst näher schritt.

In weißer Erregung
Schwanken die Raden.
Der Roggen Bewegung,
Wo die Winde baden.

Die Ähren empfingen
Tode statt Lohne.
Es stirbt ein Singen
Im blühenden Mohne:

Wir wollen wallen,
In Schmerzen verlorne;
Und werden fallen,
Opfer erkorne.

Wir tragen Gewande,
Aus Sonne gesteppt,
Und werden im Lande
Zum Blutstuhl geschleppt.

Wir neigen die zarten
Mädchenhälse
Männern, den harten,
Auf grauem Felse.

Die Schwäne erzählen
Von uns am Nil,
Die kleinen Seelen
Litten zuviel.

In weißer Erregung
Schwanken die Raden.
Der Roggen Bewegung,
Wo die Winde baden.

Wann zog der Mai weg? –
Der wilden Gänse
Gespenstiges Dreieck!
Wie eine Sense!

Kornfelder fühlen
Die Wolken wie Mäherschritt,
Die toll gehn und kühlen,
Wenn Glutangst näherschritt.

Erstveröffentlichung:
Die Aktion Bd. 2, Jg. 1912, Nr. 30 (24. Juli)


Champs de blé

Lesnuages faucheurs fous
Piétinent les champs de blé,
Leur fureur refroidit
Quand la peur de braise approche.

Une excitation blanche
Couche la nielle.
Remous de seigle,
Oú les vents se baignent.

Les épis recevaient
La mort en échange.
Dans les coquelicots en fleur
Un chant se meurt :

Partis en pèlerins
De douleurs éperdus,
Nous tomberons
En victimes élues.

Nous portons l’habit
Surpiqué de soleil,
Et serons sur la plaine
Traînés: à échafaud.

Nous courbons nos tendres
Cous de jeunes filles
Devant la rudesse des hommes
Sur la roche grise.

Les cygnes parlent
De nous au Nile,
Les petites âmes
Connurent le pire.

Une excitation blanche
Couche la nielle.
Remous de seigle,
Oú les vents se baignent.

Le mois de mai depuis quand disparu ? –
Le vol des oies
Triangle fantôme !
Comme une faux !

Les nuages faucheurs fous
Piétinent les champs de blé,
Leur fureur refroidit,
Quand la peur de braise approche.

© 2005-11 Eberhard Scheiffele (Traductions de 22 poèmes de Paul Boldt)

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