Szene

Dein Hinterkopf ist Haar auf meiner Hand.
Und in dein kleines Antlitz wärmt die Lunge.
Leg deine junge Hand in meine junge,
Pflanze die Zähne in das Lippenland.

Entkleidet bist du noch nicht nackt genug.
Schenk deine Fußsohlen ins Lampenlicht!
Das fremde Zimmer geht aus dem Gesicht.
Wir küssen uns vor einem roten Tuch.

Erstveröffentlichung:
Die Aktion Bd. 5, Jg. 1915, Nr. 7/8 (13. Feb.)

Als Sammeltitel “Drei Gedichte” zusammen mit Bevor und Monogamie veröffentlicht.

Freundin Hörerin

Die Gegenwart der Nacht macht alles schlimmer.
Die Phantasien der Lust entlaufen schnöde,
Die Uhr schreit häßlich in der Herzeinöde,
Ins Zimmer fliegen die früheren Zimmer.

Unter die Stirne flieht die Gliederherde.
Im Mund weißkleinen Zähnelichtes schreit es,
Und Schrecken wächst im Antlitz wie ein zweites:
Ach, ach, es friert über mich hin aus Erde.

Und das Bewußtsein glaubt noch nicht einmal
Der chemischen Erlösung von dem Leide.
Das Antlitz abgestreift an eine Weide,
Mit Felderarmen liegen wir im Tal.

Ich mußte haltlos altern aus der Jugend
In dieser weißen, häuserigen Stadt.
Auf krummem Himmel frei zu stehen matt,
Den Schädel in die Martermauern fugend.

Im Himmelsgrund voll Schatten, Wind und Straße
Erscheinen wir, die sich bewegend tun.
Aus Augen fliegt über den dunklen Schuhn
Der Regenbogen durch die Antlitzmasse.

Antlitze kommen auf in dem Tierhaar,
Die Einzelaugen an die meinen spülend.
Und ein Gesicht, Auswuchs der Seele, fühlend
Einschwebte Stirn zur Stirne, scheues Paar.

Wir arbeiten. Mich freut es, dich zu sehn
Freundinnenlippenrot, anthropomorph.
Wir bauen in die Stadt uns kleines Dorf
Schädelblut-Häuser und Arme-Alleen.

Das Herz geht in den Händen hin und her.
Die Augen füllen sich an einem Strahl,
Mit Bäumebildern, Städten an dem Meer.
Der Strahl ist aus der Sonne, Tag geheißen.

Erstveröffentlichungen:

  • Die weißen Blätter. Bd. 3, Jg. 1916, II. Quartal (April), S. 76-77
  • Die Aktion Bd. 5, Jg. 1915, Nr. 7/8 (13. Feb.)

Bevor

Wir haben unsere Anatomie
In einen Raum gestellt auf Teppichrot.
Hängende Hände. Und von Atemnot
Gedrehte Schädel fliehen sie.

Wir zeigen uns dem Laster. Die Hautflächen
Blutschimmernd, Helles atmend und verfeinert.
Ein Hengsterennen hundertfach verkleinert.
Die Nackenden beschäumt von Muskelbächen,

Daß wir aus uns ein Floß zusammenbänden,
Umarmt umarmend schwömmen auf dem Blut!
Berühre mich mit deinen Herzbluthänden!

Daß wir uns heilend in dem Fleische wüschen,
Kußnackt und leise lägen, ausgeruht,
Wie Mond und Wasser in den Weidenbüschen.

Erstveröffentlichung:
Die Aktion Bd. 5, Jg. 1915, Nr. 7/8 (13. Feb.)

Als Sammeltitel “Drei Gedichte” zusammen mit Szene und Monogamie veröffentlicht.

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