Gleich den Tannen . . .

Gleich den Tannen des Waldes
Hat dein Nacken
Einen Duft –
Du Große, Geliebte!

In den blühenden Wiesen,
Wenn der Juni reift,
Baden deine Füße
Und werden geliebt.

Auf deinen Brüsten
Wachsen Opale!
Die glitzern
Im Schnee der Begierde.

Wie Regen
Am Acheron
Fühlt dein Haar der Nackte,
Bronzener Kühle voll.

Deiner Arme Umarmungen,
Sausende Lichtkaskaden,
Trinke ich heißer,
Dunkler Hades.

Erstveröffentlichung:
Die Aktion Bd. 2, Jg. 1912, Nr. 48 (27. Nov.)

Erläuterungen:
Acheron. Fluß der Unterwelt.

Novemberabend

Es weht. Das Abendgold ist eine Fahne,
Die von den Winden schon erbeutet wird.
Ein etwas Herbst in der Platane,
Ein grelles Chrom verweht, verwird.

In Wolken gleich verkohlten Stämmen
Riecht man die tote Sonne noch;
Dann das Einatmen, Drängen, Dämmen –
Einsamkeiten kommen hoch.

Erstveröffentlichung:
Die Aktion Bd. 2, Jg. 1912, Nr. 47 (20. Nov.)

Auf der Terrasse des Café Josty

Der Potsdamer Platz in ewigem Gebrüll
Vergletschert alle hallenden Lawinen
Der Straßentrakte: Trams auf Eisenschienen,
Automobile und den Menschenmüll.

Die Menschen rinnen über den Asphalt,
Ameisenemsig, wie Eidechsen flink.
Stirne und Hände, von Gedanken blink,
Schwimmen wie Sonnenlicht durch dunklen Wald.

Nachtregen hüllt den Platz in eine Höhle,
Wo Fledermäuse, weiß, mit Flügeln schlagen
Und lila Quallen liegen – bunte Öle;

Die mehren sich, zerschnitten von den Wagen. –
Aufspritzt Berlin, des Tages glitzernd Nest,
Vom Rauch der Nacht wie Eiter einer Pest.

Erstveröffentlichung:
Die Aktion Bd. 2, Jg. 1912, Nr. 46 (13. Nov.)

Erläuterungen:
Café Josty. Eines der bekannten Berliner Künstler- und Literatencafés am Potsdamer Platz.


A la terrasse du café Josty

Dans un rugissement continu, la place de Potsdam
Transforme en glaciers tous les traits d’avenues :
Avalanches résonnantes de trams,
Véhicules, hommes résidus.

Les humains ruissellent tel des lézards
Véloces, de laborieuses fourmis.
Fronts, mains, regards éblouis
Flottent, taches de lumière, dans une forèt noire.

La nuit, grotte creusée dans la pluie,
Où les chauves-souris battent des ailes blanches
Et de mauves méduses se multiplient,

Flaques d’huile chatoyantes, que les voitures tranchent. –
Nid scintillant le jour, Berlin la nuit nous infeste,
Jailli de la fumée comme le pus d’une peste.

© 2005-11 Eberhard Scheiffele (Traductions de 22 poèmes de Paul Boldt)

Der Schnellzug

Es sprang am Walde auf in panischem Schrecke,
Die gelben Augen in die Nacht geschlagen. –
Die Weiche lärmt vom Hammerschlag der Wagen
Voll blanken Lärms, indes sie fern schon jagen

Im blinden Walde, lauert an der Strecke
Die Kurve wach. Es schwanken die Verdecke.
Wie Schneesturm rennt der D-Zug durch die Ecke,
Und tänzelnd wiegen sich die schweren Wagen.

Der Nebel liegt, ein Lava, auf den Städten
Und färbt den Herbsttag grün. Auf weiter Reise
Wandert der Zug entlang den Kupferdrähten.

Der Führer fühlt den Schlag der Triebradkreise
Hinter dem Sternenkopfe des Kometen,
Der zischend hinfällt über das Geleise.

Erstveröffentlichung:
Die Aktion Bd. 2, Jg. 1912, Nr. 45 (6. Nov.)

Junge Pferde

Wer die blühenden Wiesen kennt
Und die hingetragene Herde,
Die, das Maul am Winde, rennt:
Junge Pferde! Junge Pferde!

Über Gräben, Gräserstoppel
Und entlang den Rotdornhecken
Weht der Trab der scheuen Koppel,
Füchse, Braune, Schimmel, Schecken!

Junge Sommermorgen zogen
Weiß davon, sie wieherten.
Wolke warf den Blitz, sie flogen
Voll von Angst hin, galoppierten.

Selten graue Nüstern wittern,
Und dann nähern sie und nicken,
Ihre Augensterne zittern
In den engen Menschenblicken.

Erstveröffentlichung:
Die Aktion Bd. 2, Jg. 1912, Nr. 43 (23. Okt.)


Young Horses

Those that know the fields in blush,
Driven on by inbred forces,
Snouts in wind, headlong they rush:
Oh, young horses! Oh, young horses!

Over ditch and stubble-grass,
By red hawthorn hedges in waves,
Trotting skittish herds, they pass:
Chestnuts, dapples, whites and grays!

Early summer mornings shed
Glistening sun, and then they neighed.
Clouds threw thunder, so they fled,
Flush with fear, they raced away.

At rare times, they will come near.
Gray noses sniff. Heads genuflect.
Pupils quiver in the spare
Visage of the human sect.

Lyrics by Paul Boldt in English Translation
by Daniel J. Webster


Jeunes Cheveaux

Qui connaît les prés en fleur
Et connaît le long troupeau
Emporté, chanfreins au vent :
Jeunes chevaux, jeunes chevaux !

Par dessus les fossés, les chaumes
Le long d’épines rouges, les chevaux blancs
Et toute la manade souffle,
Les bais, les pies, les alezans !

Quand les jeunes matins d’été
vont d’un air blanc, ils hennissent.
Le nuage jette l’éclair,
Ils galopent, effrayés.

Parfois leurs naseaux gris
Flairent ; s’approchant ils encensent
Et les étoiles de leurs yeux tremblent
Dans nos regards réduits.

© 2005-11 Eberhard Scheiffele (Traductions de 22 poèmes de Paul Boldt)

Herbstpark

Die gelbe Krankheit herrscht. Wie Säufern fällt
Das Laub Ahornen aus den roten Schädeln,
Und Birken glühn gleich flinken Gassenmädeln
Im Arm der Winde auf dem schwarzen Feld.

Und wie die Hände einer Frau, die sinnt
Ihrem Gemahl nach und der starken Lust,
Ward weiße Sonne kühl! Du aber mußt
Der Nächte denken, die im Juni sind.

In diesen sternenbunten, sagt man, fror es.
Der Park ist so verstört. Aus beiden Teichen
Zittert die Stimme des gefleckten Rohres,

Wenn Wellen so vom seichten Sande schleichen.
Und Regen droht. In Kutten, stummen Chores,
Gehn Wolken um die großen, grünen Eichen.

Erstveröffentlichung:
Die Aktion Bd. 2, Jg. 1912, Nr. 42 (16. Okt.)


Parc en auhomne

La maladie jaune règne. Comme des soûlards impénitents
Les crânes rouges des érables leurs feuilles perdent.
Et les bouleaux flamboient comme d’alertes
Filles des rues sur le champs noir dans les bras des vents.

Et comme les mains d’une femme qui pense
A son époux et à l’intense jouissance
Le soleil blanc refroidissait, mais toi,
Tu dois te souvenir des nuits du sixième mois.

Dans ces nuits colorées, dit-on, il gelait.
Le parc est tout bouleversé. Des deux étangs
La voix des roseaux tachetés tremble,

Quand les vagues quittent la plage en rampant,
Et la pluie menace. En froc, choeur muet,
Les nuages autour des chênes géants tournent ensemble.

© 2005-11 Eberhard Scheiffele (Traductions des poèmes de Paul Boldt

Die Liebesfrau

– Nackt. Ich bin es nicht gewohnt.
Du wirst so groß und so weiß,
Geliebte. Glitzernd wie Mond,
Wie der Mond im Mai.

Du bist zweibrüstig,
Behaart und muskelblank.
So hüftenrüstig
Und tänzerinnenschwank.

Gib dich her! Draußen fallen
Die Regen. Die Fenster sind leer,
Verbergen uns . . . – allen, allen! –
Wieviel wiegt dein Haar? Es ist sehr schwer.

– Wo sind deine Küsse? Meine Kehle ist gegallt,
Küsse du mich mit deinen Lippen!
– Frierst du? – – – Du bist so kalt
Und tot in deinen hellen Rippen.
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Erstveröffentlichung:
Die Aktion Bd. 2, Jg. 1912, Nr. 40 (2. Okt.)

Oktobernacht

Schon kam die Erde mit den schönen Bäumen
Dem Winter nah, der alles Grün verschluckt.
Oktober wird, wo uns das Hirn noch juckt
Von überroten, klaren Sonnenträumen.

Wir Planetiden. Dunkelheiten schäumen
Novemberher. Die Erde friert und duckt
Sich vor dem Mond, aus dem ein Leuchten zuckt
Und duftweiß flimmert an den Wolkensäumen.

Der gelbe Herbst, in seinem Mantel aus Regen,
Kommt von den Wäldern, ein befleckter Schlächter.
Laub liegt wie Blut auf sonst besonnten Wegen.

Dann kann es sein, eines der Rinder schreit
Lange zum Mond. Der zuckt und leuchtet matter
Durch laute Bäume in die Dunkelheit.

Erstveröffentlichung:
Die Aktion Bd. 2, Jg. 1912, Nr. 39 (25. Sept.)

Hunger

Die Regen liegen im Getreide, schmatzend.
Tags, nachts zerschlägt der Himmel wie Eidotter.
Der schwarze Sturm schlüpft aus, wie eine Otter,
Das goldne Turmkreuz aus den Wolken kratzend.

Der Hunger spreizt wie eine Vogelscheuche
Die Arme breit aus einem Weizensumpf
Und stelzt ins Dorf, mit dem klappernden Rumpf
Die Schlange lockend aus dem Fluß – die Seuche.

Der Bauer Czeska mit den andern Schalken
Scharren voll Scham erst in der Dämmerung
Die Nachgeburt der Rinder aus dem Dung.

Die Kinder lesen Spinnen von den Balken.
Man stirbt. Man legt die Leichen grün und jung
Wie Heringe in Kalk, wo sie zerwalken.

Erstveröffentlichung:
Die Aktion Bd. 2, Jg. 1912, Nr. 38 (18. Sept.)

Erläuterungen:
Czeska. Poln. von czeski: „tschechisch“.
Schalken. Von ahd. scale: „Knecht“.

Nächtige Seefahrt

Die Winde sind von einem Möwen-Dutzend
Geschwämzt und schlagen durch die Luft, dumpf, pfeifend.
Und hart herrollend, seltsam vorwärtsgreifend,
Zerbraust das Meer, der Riffe Rücken putzend.

Es klatscht das Segel, patscht das Ruderblatt.
Die gleichen Wogen streifen, weichen vorn
Und fallen hinten, wo der Möwen Zorn
Sie schmäht, matt, hingemäht, ins glatte Schwad.

Dann steift der Wind. Er gibt die Brise doppelt
Und schmeißt die hellen Wasserhaufen steiler,
Wie ein Pikeur die Meute noch gekoppelt

Voll Gier losläßt; allein der starke Keiler
Stockt, steht, stößt einmal in die Runde
Entblößter Zahnreihn und zerfetzt die Hunde.

Erstveröffentlichung:
Die Aktion Bd. 2, Jg. 1912, Nr. 36 (4. Sept)


Sea-Journey at Night

These winds have tails made of a dozen gulls.
They beat the air with hollow whistling shrieks.
The sea rolls strangely forward, then it breaks
To bits and polishes the spines of shoals.

Our sail begins to crack. The oar-blade beats
Those self-same waves, which first yield at the bow
Then fall away behind, where gulls allow
Their wrath to mow them flat as sickled wheat.

The wind picks up. It doubles the breeze and stacks
Bright water-mountains steeper than before,
Just like a huntsman who’s unleashed his pack

Of maddened dogs; but unafraid, the boar
Will bare its teeth and stop to look around,
Then rip the flesh out of the baying hounds.

Lyrics by Paul Boldt in English Translation
by Daniel J. Webster


Navigation nocturne

Queues de douzaines de mouettes, les vents,
Siffles sourds, fouettent l’air.
Et d’un roulement dur, la mer
S’empare, se brise, récure les récifs glissants.

La pale frappe, la voile crisse.
Les vagues frôlent l’avant et à l’arrière
Retombent, où la colère
Des mouettes insulte sa houaiche lisse.

Soudain raidie, la brise redoublée,
Le vent projette les masses claires plus âprement
Tel un piqueur qui, meute muselée,

La lâche, avide. Pourtant le sanglier puissant
S’immobilise, puis il affronte soudain,
Babines retroussées, et déchire les chiens.

© 2005-11 Eberhard Scheiffele (Traductions de 22 poèmes de Paul Boldt)

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