I
Im Norden sind die Ebenen, da steigen
Die Ströme zitternd in das Meer,
Das sie verhüllt. Der Wind weht Wogen her.
Das Wasser schweigt, und die Sternbilder schweigen.
Du stiegst hinab mit deinem weißen, leisen
Lachen sprudelnd und deiner Brüste Schaum.
Antworte doch! Bist du noch in dem Raum,
Wo meiner Augen Vögel schreien, kreisen?
II
Der Wind ist in den Eichen,
Die sich nach Westen legen
Und diesen kleinen, bleichen
Himmel zusammenfegen;
Ich atme schlecht! Ich zucke
So an der Luft! Untätig.
Mir ist vom steten Drucke
Nicht mehr viel Ich vorrätig.
Erstveröffentlichung:
Die Aktion Bd. 3, Jg. 1913, Nr. 21 (21. Mai)
Im Inhaltsverzeichnis von Die Aktion wurde das Gedicht als “Die zweite Jüdin” getitelt.
Anmerkung: Die zweite Strophe von Teil I. ist für die Buchausgabe völlig umgeschrieben worden.
Die beiden Gedichtteile wurden getauscht, sodass die Erstveröffentlichung wie folgt lautete:
Andere Jüdin
I
Der Sturm braust in den Eichen,
Die sich nach Westen legen
Und diesen kleinen bleichen
Himmel zusammenfegen. –
Ich dunkle so, ich lebe
Einsamer und versteint,
Weil über mein Gewebe
Dein Antlitz nicht mehr scheint.
II
Im Norden sind die Ebenen, da steigen
Die Ströme zitternd in das Meer,
Das sie verhüllt. Der Wind weht Wogen her.
Das Wasser schweigt, und die Sternbilder schweigen.
Du stiegst hinab mit deinem weißen, leisen
Lachen sprudelnd und deiner Brüste Schaum. –
Antworte doch! Bist du noch in dem Raum,
Wo meiner Augen Vögel schreien, kreisen?