Wer weiß seit Fragonard noch, was es heiße,
Zwei stracke Beine haben in dem Kleide;
Roben gefüllt von Fleisch, als ob die Seide
In jeder Falte mit dem Körper kreiße.
Aus dem Korsage fahren eure Hüften
Wie Bügeleisen in den Stoff der Röcke,
Darauf wie Bienen auf die Bienenstöcke
Unsere Blicke kriechen aus den Lüften.
Ihr jugendlichen Sonnen! Fleischern Licht!
Wir haben den Ehrgeiz der Allegorien
Und hübschen Dinge im Gedicht.
Ich will mit eurer Bettwärme Blumen ziehn!
Und einen kleinen Mond aus dem Urin,
Der sternenhell aus eurem Blute bricht!
Erstveröffentlichung:
Die Aktion Bd. 2, Jg. 1912, Nr. 49 (4. Dez.)
Erläuterungen:
Fragonard. Jean Honoré Fragonard, frz. Maler (1732 – 1806), der mittels seiner galanten und frivolen Bilderthemen bekannt wurde.
Anmerkung: Die beiden Terzette des Sonetts sind für die Buchausgabe völlig umgeschrieben worden.
Die Fassung, wie sie in Die Aktion veröffentlicht wurde, lautet:
Erwachsene Mädchen
Wer weiß seit Fragonard noch, was es heiße,
Zwei stracke Beine haben in dem Kleide;
Roben gefüllt von Fleisch, als ob die Seide
In jeder Falte mit dem Körper kreise.
Aus der Korsage fahren ihre Hüften
Gleich Bügeleisen in den Stoff der Röcke,
Darin wie Bienen in die Bienenstöcke
Die Winde kriechen aus den kalten Lüften.
Kindsköpfe ihr, ihr kleinen, festen Brüste,
Die ihr gleich sommerlichen Rosen ruht. –
Des Abends Elegie macht das; mir ist, es müßte
In diesen Ernten sein, daß Boas Ruth
Auf seinen Feldern trifft: Wie tut er gut
Der Brustkorb Rosen in der Weizenwüste.
Jeunes filles adultes
Qui depuis Fragonard connaît encore
Ce que veulent dire deux jambes rebondies,
Chair remplissant la robe comme si
La soie en chaque pli accouchait du corps.
Vos hanches poussent du corset telles des fers
Brûlants le tissu des jupes, auxquelles,
Comme les abeilles vers les rayons de miel,
Nos regards rampent à travers les airs.
Ah ! Juveniles soleils ! Lumière de chair !
L’ambition des allegories et des jolies choses
Dans le poème. Cela nous fascine.
De vos draps tièdes, je veux faire pousser des roses,
Et une petite lune d’urine
Qui jaillit de votre sang, astre clair.
© 2005-11 Eberhard Scheiffele (Traductions de 22 poèmes de Paul Boldt)